Aus der Sächsischen Zeitung vom 16. Februar 2024
von Andreas Weller
Dresden. Vor allem die Bundespolitik und dort das Einlassen der FDP auf die Grünen hat Holger Zastrow dazu gebracht, nach 30 Jahren aus der FDP auszutreten. Der ehemalige Bundes-Vize, langjährige Landesvorsitzende in Sachsen und Dresdner Stadtrat hat aber noch immer Lust auf Politik. Sächsische.de erklärte er nun, wie es in Dresden weitergehen soll.
Zastrow hat einen Plan und zu wenig Zeit
„Ich habe offenbar mit meiner Austrittsbegründung vielen Leuten aus dem Herzen gesprochen“, sagt Holger Zastrow. Viele Menschen würden ihn fragen, was jetzt wird. „Weil sich die Leute nicht vorstellen können, dass ich keine Politik mehr mache“, so Zastrow ganz unbescheiden. „Da spürt man einen gewissen Druck. Ich weiß, wie man Parteien oder Vereine aufbaut, auch wie man Leute aufbaut und wie man Wahlkampf macht, also laufe ich nicht blind los.“
Ein Zitat des Komponisten Leonard Bernstein sei ihm dieser Tage eingefallen: „Man braucht zwei Dinge, um Großes zu erreichen: einen Plan und zu wenig Zeit.“ Zastrow könne sagen: „Der Plan ist da und wenig Zeit.“ Zumal er auch noch seine eigentlichen Unternehmen führen muss – seine Veranstaltungsagenturen, seine Beteiligung, die gerade das „Dresdner Winterfest“ auf dem Altmarkt durchführt und den Biergarten Hofewiese in der Heide.
Eigenes politisches Projekt in Startlöchern
Er habe in der vergangenen Woche eine Art „Gründungsrunde“ mit etwa 15 Personen durchgeführt, die sein Projekt unterstützen, aber noch nicht genannt werden wollen. „Ich habe erzählt, was gerade passiert. Die Meinung von Leuten, die nicht in der politischen Blase sind, ist unheimlich erfrischend.“ Dort habe er berichtet, dass er von anderen Parteien und Wählervereinigungen angesprochen wurde, sich ihnen anzuschließen. „Die Teilnehmer haben mir gesagt, es wäre unglaubwürdig, wenn ich woanders hingehe.“ Das habe ihn motiviert.
„Ich habe mich entschieden, ein eigenes politisches Projekt anzustoßen, ein Angebot in der politischen Mitte, das zur Kommunalwahl in Dresden antritt.“ Das bedeute, er muss einen Verein gründen, Mitstreiter und Kandidaten finden, die in allen elf Dresdner Wahlkreisen zur Stadtratswahl antreten und eventuell auch für die Wahlen der Stadtbezirksbeiräte.
Im neuen Verein soll alles anders werden
„Was ich auf jeden Fall nicht will, sind die ganzen Rituale, wie sie in Parteien gepflegt werden“, sagt er. Damit meint Zastrow stundenlange Diskussionen, lange Mails und Dokumente. „Parteien schließen durch ihre Arbeitsweise viele, die sich engagieren, aus – Unternehmer, Leute, die Familie haben und so weiter. Diese Politik-Nerds sind lebensfremd, weil sie voraussetzen, dass man ganz viel Zeit dafür hat. Das kostet Nerven und Leidensfähigkeit.“
Viele Parteien würden von Leuten ohne Lebenserfahrung und Politik-Profis dominiert werden, kritisiert Zastrow. „Ich bin seit 30 Jahren Unternehmer und will nicht erklärt haben, wie es läuft. Das ist ineffizient und die Qualität der Debatte leidet, man verfängt sich in Ritualen und Symbolen.“ Dabei könne man insbesondere in der Kommunalpolitik was bewegen, als Beispiel nennt Zastrow sein Lieblingsthema: den Verkehr in Dresden.
15 Prozent ist das erklärte Wahlziel
Auch wenn der Verein noch nicht gegründet ist und der Name noch nicht verraten wird, hat Zastrow klare Zielvorstellungen. „Ich glaube, zu wissen, wie man es anders machen und in kurzer Zeit etwas auf die Beine stellen kann, um wirklich etwas zu verändern – auch die Stadtratsmehrheiten.“
Ein „sattes zweistelliges Ergebnis“ solle erreicht werden, in „Richtung 15 Prozent“. „Wenn das gelingt, ist es ein Weckruf für alle, die schon da sind, denn dann können wir ein entscheidender Faktor sein, weil diese Prozentpunkte anderen fehlen. Ich will zu einer anderen Politik kommen.“
Zastrow schießt gegen Parteien
Die Parteien in der Mitte, wie CDU und FDP, würden denken, es gehe immer so weiter wie bisher. „Aber es verändert sich viel an den Rändern und Veränderung darf nicht von politischen Rändern ausgehen“, meint Zastrow. „Es muss sich in der Mitte etwas verändern, durch freiheitliche Kräfte, wie es die FDP mal war.“
Um diese von Zastrow definierte „Repräsentationslücke“ zu schließen, wolle er mit seiner Erfahrung zunächst Unterstützer und dann Wähler ansprechen. „Wenn das gelingen sollte, wird es Verschiebungen geben in der Stadt. „Die CDU in Sachsen und die FDP im Bund haben sich aus dieser Mitte auf die Grünen eingelassen. Das muss man künftig ausschließen. Die Grünen sind – nicht die einzelne Person – die größte Gefahr für die Freiheit in diesem Land. Sie wollen mir vorschreiben, wie ich mich zu bewegen habe, wie ich heizen soll, was ich essen soll, wie ich insgesamt zu leben habe. Das sind die roten Linien, die ich als Liberaler habe.“ Das seien für Zastrow „Anmaßungen“, die vor allem von Grünen, aber auch von SPD und Linken kommen.
„Ich setze darauf, dass die meisten Leute das Richtige tun, deshalb muss man sie machen lassen und die Politik sich nicht ständig in den Alltag einmischen“, so Zastrow. „Denn diese Einmischung führt dazu, dass die Gesellschaft gespaltet wird. Das sieht man beispielsweise in der Frage der Ordnung des Verkehrs. Dieser Unsinn mit Fahrradstraßen wird immer weiter betrieben und muss gestoppt werden.“
Anders als die CDU in Dresden müsse man sich für „konsequenten Widerstand“ aussprechen, meint Zastrow. „Mit Kompromissen, um das Schlimmste zu verhindern, verhindert man nicht das Schlimme.“ Der FDP drohe durch die Regierungskoalition mit den Grünen und dem „Mitmachen“, dass sie nicht wieder in den Bundestag gewählt wird. „In Dresden steht für diese Politik die CDU. Da muss man politisch ein anderes Angebot machen und durch ein starkes Wahlergebnis die Verwaltungsspitze dazu zwingen, zu einer vernünftigen Verkehrspolitik zurückkehren. Die Erschließung im Dresdner Norden wird nicht durch Radschnellwege erfolgen können, sondern dafür braucht es vernünftige Straßen sowohl aus der Innenstadt als auch aus dem Umland.“ Deshalb müsse beispielsweise die Königsbrücker Straße endlich gebaut werden.
Wie es jetzt weitergeht
Zastrow baue gerade ein Team auf. „Ich muss den Verein gründen, bis Mitte März die Listen für die Wahlen aufstellen und dann Unterschriften sammeln.“ Der Verein muss, wie beispielsweise auch die Dissidenten, in jedem Wahlkreis 22 Unterschriften von Unterstützern aus dem jeweiligen Wahlkreis erhalten, die im zentralen Bürgerbüro an der Theaterstraße geleistet werden müssen. „Das ist eine unfassbar hohe Hürde“, so Zastrow. Wenn das Projekt die Unterschriften nicht erhält, sei das auch Zeichen für Zastrow. „Dann ist es vorbei mit der Politik. Ich will nicht wieder im Stadtrat sitzen wie die letzten fünf Jahre, wenn ich wenig bewegen kann. Ich will eine Gestaltungsoption.“ Deshalb setze er auf das Votum der Dresdner.
Quelle: Sächsische Zeitung (zum Artikel)
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